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gewohnte Grenzen und Befangenheiten und treffen gewohnte Ängste und Befangenheiten nicht mehr an. Auf
einem Bahn steig stehen seit zehn Minuten ein Mann und eine Frau nebeneinander und würdigen sich keines
(offenen) Blickes. Es ist völlig unklar, ob sie es bevorzugen sich zu ignorieren, oder ob sie darin wetteifern, wer
der Befangenere ist. Ein kalter und nasser Wind fegt durch den Bahnhof und trägt zur ungemütlichen Atmops-
häre kräftig bei, die durch die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher unterbrochen wird: Wir bitten um Ent-
schuldigung, daß der Interregio 3O M Minuten später ankommen wird. Die Frau blickt verärgert nach rechts
und links, sieht dabei dem Mann ins Gesicht, der ebenfalls enttäuscht ist und sagt: In einer halben Stunde bin
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ich hier festgefroren. Und damit war das Eis gebrochen. Immer wenn gewohnte Ordnungen durchbrochen sind:
Ein Fahrstuhl bleibt stecken oder alle müssen laufen , eine Straßenbahn kann nicht weiter oder kommt nicht,
ein Unfall hat stattgefunden, es gibt Hochwasser oder ein Haus brennt, es ist ein jemand erkrankt oder gestor-
ben. Sie stehen in einem Geschäft und schauen ungläubig auf einem exorbitanten hohen oder niedrigen Preis,
ein phantastisches Gerät oder einen furchtbaren Schrott:
Und dabei können Sie erkennen, was am oder im Chaos das Flirten erleichtert: Das Ereignis löst zur situativen
übrigen Befangenheit oder Angst konkurrierende starke Eindrücke und Gefühle aus, die leichter ausgedrückt
oder mitgeteilt werden können. Sie und Ihr Gegen über
im optimalen Falle teilen einen nach außen gerichteten Eindruck. sie treffen sich somit sowohl echt und leben-
dig an, aber auch wieder nicht so konfrontativ, sondern eben nach außen gerichtet. Das Chaos hat den Vorteil,
als bewegendes Gesprächsthema nicht so schnell zu Ende zu sein, und Sie haben somit beide anhaltendere Ge-
legenheit, darüber in Kontakt zu kommen. Was spricht gegen Versuche näherzukommen: Wo fahren Sie hin,
was halten Sie von dem Ereignis, wo kommen Sie her,, Sie können etwas erzählen usw.
Oder auch: Sie drücken ihre Freude aus, bei dieser Gelegenheit eine neue Bekanntschaft gemacht zu haben und
ihr Interesse an einer gemeinsamen Weiterfahrt oder einem weiteren Treffen. Im Volksmund sagt man auch:
Wo viel Not ist, ist auch viel Hilfe. Nicht wenige Freundschaften und Nachbarschaften entstehen darüber, daß
diese Menschen durch chaotische Situationen zusammengeführt wurden: Ein Ekel im Haus, ein terroristischer
Vermieter, ein nervtötetender Betrieb, ein Brand oder Rohrbruch usw.
Im Studium kann das ein ineffizienter Dozent sein, eine ungerechte Prüfung-. Für nicht wenige sind es auch
politische Umstände, wenn Solidarisierungen für oder gegen stattfinden.
Sie können Chaos aber auch mehr oder weniger gezielt stattfinden lassen:
- Veranstalten Sie ein Fest und laden Sie einfach mehr Leute ein, als in ihre Bude reingehen.
- Machen Sie sich nichts draus jemand einzuladen. an dem sich andere stoßen. Nicht schweißt zwei Leute
schneller zusammen als ein gemeinsamer Feind.
Ebenso; Wenn Ihnen mitten im Geschäft ihre Tüte reißt und alle Kartoffeln herumrennen
Ein guter Grund verdattert zu gucken oder souverän, und nur zu grinsen, vielleicht hilft ihr
Flirt beim einsammeln. Wichtig dabei: Keine Hektik! Genießen Sie das Durcheinander und
schauen es sich erstmal genüßlich an und achten drauf, auch ihrem Flirt einen Blick zu gönnen. Ihre Besorgnis.
möglicherweise ungeschickt oder lächerlich zu wirken, ist völlig berechtigt, Sie wirken wahrscheinlich so. Ihre
Besorgnis jedoch, daß dies ein Nachteil ist,
ist meistens falsch. In der Regel entspannen Sie damit eine steife Atmosphäre, tragen zur
Unterhaltung bei und übernehmen ein Risiko, machen es also den anderen etwas leichter.
Reagieren Sie hingegen auf ein versehentliches oder geplantes Ungeschickt ihrerseits mit Befangenheit und
Scham, versuchen innerlich in den Erdboden zu versinken oder sonstwie
den Eindruck zu erwecken, nichts sei passiert, teilt sich das natürlich den anderen mit.
Höflich wie sie sind, schauen sie dann ebenfalls beiseite und bemühen sich, Sie zu ignorieren,
womit eine gute Flirtchance verloren ist.
Ihre Unfähigkeit ist zugleich eine Chance für die anderen, die eigene Fähigkeit zu erleben und Ihnen gegenüber
sich gut zu fühlen. Das ist ein großzügiger und guter Anfang. Also versuchen Sie nicht alles selber und alleine
zu machen, sondern bitten Sie den potentiellen Flirt so früh wie möglich, Ihnen behilflich zu sein - unabhängig
davon ob Sie Mann oder Frau sind. Natürlich können Sie alle Gepäckstücke in eine Hand nehmen und eine Tür
selber aufmachen, Sie können auch in jede Hand eines nehmen und jemand anders bitten.
Alle Ereignisse und Umstände, die normalen Routinen und Muster durch- oder unterbrechen, eignen sich daher
sehr gut für einen Flirt. Es ist teilweise einfach eine
Frage ihrer Kreativität, solche Unterbrechungen herzustellen. Sie brauchen dann keine Gefühle vorzuspielen
oder andere zu verbergen. die plötzliche Situation löst sie zuverlässig aus und Sie haben dann eine gute Mög-
lichkeit, jemand zu begegnen. Daher eignen sich besonders Situationen, in denen Sie va banque spielen mit kal-
kuliertem Risiko. Machen Sie sich nichts draus, Ihre Kaffeetasse so voll zu schütten, daß Sie sehr wahrschein-
lich etwas verschütten, wenn Sie trinken. Behaupten Sie einfach, daß Sie es hinbekommen werden. Wenn es
klappt stehen Sie gut dar. Wenn nicht, tragen Sie zur Unterhaltung bei. Mit Grandezza pfuschen oder versagen [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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