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Als er hochfuhr, stachen tausend winzige Nadeln seine
eingeschlafene Hand, die verkrampft Pollys Schulter umfasste.
Sie saßen eingezwängt auf engstem Raum, stießen sich an den
scharfen Kanten des Flugzeuginneren, versuchten, sich mit
verkrampften Muskeln in den Foltersitzen zu halten. Chandler
blinzelte, während er seine Hand unter Pollys Schulter
hervorzog und den bösen Traum aus seinem Kopf verbannte.
Jesusmaria! Im Geiste machte er eine Bestandsaufnahme seiner
Lage: Kalt war es und zugig; seine Knochen waren steif von der
Tasche, die er zwischen den Knien hielt. Er hatte einen
modrigen Geschmack im Mund, fühlte sich deprimiert und war
überrascht, dass er noch lebte. Sein Kopf fing an zu schmerzen
von dem Gedröhn der beiden Motoren.
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Kendrick brüllte etwas über die Schulter, doch was er sagte
war über dem Mark und Bein erschütternden Motorenlärm nicht
zu verstehen. Ohne Vorwarnung sackte die Maschine manchmal
durch, und jedes Mal schloss Chandler die Augen, zwang sich,
ruhig zu atmen, und betete, er möge noch nicht sterben. Gott,
schütze mich noch dieses einzige Mal, und ich will immer ein
guter Mensch sein!
Schließlich drang Kendricks Stimme zu ihm durch: »Nebel.
Ich gehe tiefer & Achtung!«
Chandler hörte, wie der Regen blechern gegen das Flugzeug
schlug. Er konzentrierte seinen Blick auf die Windschutzscheibe
im seltsamen Schein der Bordinstrumente, sah das Wasser nach
oben perlen und Streifen auf die Scheibe zeichnen, während sie
durch die Nacht schwebten. Es schien, als müsste sich das
Flugzeug den Weg durch graue Wattefetzen freikämpfen. Die
Positionslichter auf den Flügelspitzen waren kaum zu erkennen.
Unwillkürlich rang er nach Luft, als das Flugzeug sank wie ein
Gefährt auf dem Rummelplatz, als Nebelschwaden an den
kleinen ovalen Fenstern vorbei nach oben wehten. Bei jeder
Bewegung  gleich in welcher Richtung  schien die ganze
Konstruktion in einer endlosen Folge von heftigen und weniger
heftigen Erschütterungen zu erbeben, die nach menschlichem
Ermessen früher oder später dazu führen würden, dass das
Flugzeug in seine Bestandteile zerfiel. Polly sackte gegen seinen
Körper und fuhr sich mit ihrer kleinen behandschuhten Faust
übers Gesicht. Chandler fragte sich, was man machen sollte,
wenn man plötzlich pinkeln musste.
Er sah auf die Uhr. Sie waren bereits zwei Stunden geflogen,
und er konnte sich nicht vorstellen, wo sie waren. »Wo sind wir
überhaupt?«, brüllte er heiser.
»Ich hoffe, wir sind ungefähr fünfhundert Meter über dem
Wasser, aber man kann da nie sicher sein. In so einer Nacht
muss man sich vom Instinkt leiten lassen.«
»Oh«, stöhnte Chandler, »wir könnten abstürzen.«
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»Sicher. Aber mir ist das noch nicht passiert. Sehen Sie s mal
von der Seite.«
»Na gut. Wo sind wir sonst noch?«
»Wir müssten ungefähr dreißig Kilometer vor der Küste von
Neuschottland sein, über dem Atlantik. Linker Hand liegt
Halifax.«
Er deutete mit dem Arm die allgemeine Richtung an.
»Was passiert, wenn wir mit einem anderen Flugzeug
zusammenstoßen?«
»Wir stürzen ab und sterben wahrscheinlich & verbrennen
oder ertrinken. Warum?«
»Angeborene Neugier.« Die Motoren wummerten, seine
Kopfschmerzen setzten ihm zu. Er brauchte sich nicht zu
unterhalten. Was brachte es schon? Sie würden es überleben 
oder eben nicht.
»Ist was Krankhaftes, finde ich.« Der Ledersitz quietschte, als
Kendrick sein Gewicht verlagerte. Er trommelte auf das
Instrumentenbord.
»Halifax«, überlegte Colin. »Ist das unser Ziel?«
»Ich höre nichts, wenn die Motoren laufen«, meinte er und
lachte so abrupt auf, dass es klang wie eine Salve aus dem
Maschinengewehr.
»Fliegen wir in das gottverdammte Halifax oder nicht?«
»Nein, nein!« Er kriegte sich kaum mehr ein vor Lachen. Seit
Jahren schien er sich nicht mehr so amüsiert zu haben. »Nein,
nicht nach Halifax!«
»Kommen Sie, Kendrick  spannen Sie uns nicht auf die
Folter. Sagen Sie, wohin wir fliegen.«
»Noch  ne Stunde nach Norden, um die Inselspitze herum,
Richtung Kap Breton. Wir können nicht über Land fliegen, ohne
Flugplan. Müssen sehen, wo wir bleiben: schön tief bleiben, das
Ziel anfliegen, dann runter und raus & «
»Runter und raus? Was soll das heißen? Nichts geht runter und
raus aus der Kiste hier, verstanden?«
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»Regen Sie sich ab, Professor. Es heißt bloß, dass wir landen.
Dann lasse ich Sie raus und haue ab.«
»Sie hauen ab?«
»Ruhig, Mann. Mr. Prosser hat alles geregelt.«
Das Flugzeug sank noch um weitere zweihundert Meter, bevor
Chandler überhaupt etwas erkennen konnte: hier und da ein
winziger Lichtpunkt auf dem Festland. Kap Breton. Er war nie
dort gewesen, wusste nichts über das Kap. Eine Bekannte, die
von ihrer Reise berichtete, hatte ihn jedoch vorsichtig gestimmt:
»Eigentlich lohnt es sich nicht. Aber Mitte Juni ist es dort
traumhaft  wenn man s rustikal mag.« Leider war Mitte Juni
lange vorbei. Er fror. Draußen heulte der Wind wie eine Meute
losgelassener Höllenhunde, die an dem zerbrechlichen Fluggerät
kratzten und zerrten und versuchten, es vom Himmel zu reißen.
Als Polly schließlich aufwachte, fragte sie mit belegter
Stimme: »Sind wir schon tot?«
»Dauert noch ein bisschen. Wir sinken aber bald in die
donnernde Brandung, wo uns der fröhliche Clown hier aussetzen
wird. Alles in bester Ordnung.«
Gähnend richtete sie sich auf. »Ich möchte ein Glas Wasser.«
»Nein.«
»Ich muss mal.«
»Tut mir leid.«
»Sind wir bald da?«
»Sei still, Kleine.«
»Heiland! Ist das da unten schon das Wasser?«
»Hmm.«
»Direkt vor uns!«
Kendrick stieß wieder sein Indianergeheul aus. »Anschnallen!
Wir sind gleich da.«
Er hatte die gelben Scheinwerfer eingeschaltet, die den Nebel
beleuchteten, der immer noch vor ihnen her trieb. Unter ihnen
reckten sich die Wellenkämme, um die Pontons und das
Untergestell zu empfangen. Das schäumende Wasser sah hart
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aus, wie aufgerauter Zement, der darauf wartete, das Flugboot
bei der ersten Berührung in Stücke zu reißen. Es stand da wie
eine feste Wand, an der sie jeden Moment entlangschaben
würden.
Runter, weiter runter & Sein Magen hob sich, als die Lücke
zwischen Flugzeug und Wasser enger wurde und der Nebel an
den Fenstern vorbeiflog, als nichts vor ihnen lag als Wasser und
absolute Finsternis, wo sie eigentlich Kap Breton erwarten
sollte. Woher kannte Kendrick ihre Position? Die Frage peinigte
ihn, während sich Polly mit weit aufgerissenen, auf das kleine
ovale Fenster fixierten Augen an seinen Arm klammerte. Als er
sich vorbeugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, das er selber
nicht hören konnte, sah er ihr Profil und küsste sie auf die
pfirsichzarte Wange.
Das Metall stöhnte auf, als das Flugboot klatschend aufs
Wasser schlug, nach oben und zur Seite katapultiert wurde und
gefährlich außer Kontrolle zu geraten schien, dann erneut auf
das steinharte Wasser prallte und hüpfend über die Oberfläche
glitt wie ein Kiesel, den ein Kind auf dem Wasser springen lässt.
Dann neigte sich der Bug  bedrohlich, wie es Chandler
empfand  bevor das Fahrzeug in seiner selbst geschaffenen
Wassermulde auf den Wellen ruhte. Es verlangsamte seine Fahrt
unter ständigem Protest des Metalls, der sich aber kurz darauf
legte.
Als das Flugboot endlich träge auf dem Wasser schaukelte
wandte Kendrick ihnen im geisterhaften Schein der Instrumente
sein bleiches, grinsendes Gesicht zu. »Bisschen stürmisch heute
Abend«, sagte er entschuldigend. »Aber das Wichtigste ist doch,
dass wir hier sind, oder? Gesund und munter.«
»Halten Sie die Klappe«, krächzte Polly mit trockenem Mund.
»Ich kann s Ihnen nicht verübeln, Miss«, meinte er gutmütig,
während er sich aus dem Pilotensitz schälte. »Feucht da draußen
& «
Kendrick wuchtete ein Paket hinter den Passagiersitzen hervor,
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klemmte es unter den Arm und ging mit weichen Knien an ihnen
vorbei. Er entriegelte die Tür, die er so weit am Rumpf entlang
schob, bis sie hörbar einrastete. Durch die Öffnung blies ihnen
ein feiner, scharfer Nieselregen ins Gesicht. Kendrick schob sich
mit seinem Paket durch die schmale Öffnung und kletterte die [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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